Mit der Serie „Skeleton Crew“ bringt Disney frischen Wind ins „Star Wars“-Imperium
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Mit einem Stück für die jüngere Generation bereichert Disney sein „Star Wars“-Imperium um einen weiteren Ableger: „Skeleton Crew“ schlägt einen Bogen zu den Anfängen der Saga, die sich nicht zierte, große Erzählkunst als Space-Märchen in die Weiten des Weltalls und eine ferne Zukunft zu verfrachten. Die Macher Jon Watts (Regisseur der Marvel-„Spider-Man“-Filme) und Christopher Ford fühlten sich offenbar dazu inspiriert, ihre zehnjährigen Ichs ans Ruder zu lassen: Fremde Welten, Piraten, geheime Schätze rahmen eine Geschichte, die ihre Figuren erfreulich ernst nimmt.
Gemeinsam mit seinem schüchternen Freund Neel (Kacie Borrowman als blauhäutiger Elefantenjunge) meint der phantasiebegabte Wim (Ravi Cabot-Conyers) in einer verborgenen Schlucht im Wald einen geheimen Jedi-Tempel gefunden zu haben. Dummerweise haben auch zwei Mädchen die seltsame Luke entdeckt: Fern (Ryan Kiera Armstrong) ist eine selbstbewusste Macherin, ihre Freundin KB (Kyriana Kratter) verfügt dank eines kybernetischen Schädelimplantats über besondere Fähigkeiten, und während man sich noch zankt, wer zuerst hier war, finden sich die vier plötzlich in einem Raumkreuzer auf dem Weg in eine weit entfernte Galaxie wieder. Zu den „Passagieren“ des Schiffs zählen außerdem eine Reihe Piratenskelette und der defekte Droide SM-33 – und bald auch der undurchsichtige Jedi-Ritter Jod Na Nawood (Jude Law), mit dem die titelgebende Skeleton Crew (zu Deutsch etwa: Notbesetzung) eine abenteuerliche Reise bestehen muss.
Die Macher haben ihren Spaß daran, den heiligen Ernst manch anderer Ableger im „Star Wars“-Universum zu unterlaufen. Besonders Jod, der überall, wo er auftaucht, unter einem anderen Namen firmiert, ist ein echter Grenzgänger. Jude Law brilliert mit einem verschlagenen Charme, der verlockt, ihn mögen zu wollen – obwohl klar zu sein scheint, dass dieser Kerl mächtig Dreck am Stecken und dunkle Absichten hat. Auch SM-33, der einäugige Droide mit der knarzenden Piratenstimme, fungiert dank seiner lädierten Schaltkreise als unverlässlicher Navigator bei der nur selten langatmigen Suche nach dem Heimweg nach At Attin.
Aber es sind die Kinder, die diese Geschichte tragen, ohne dass irgendwelche Feelgood-Botschaften oder pädagogische Zeigefinger im Hintergrund lauern. Die weit weniger scharf konturierten Erwachsenen der Serie verheddern sich in engstirniger Gier oder blinder Geschäftigkeit, während die in den Weiten des Weltalls verirrten Kinder bloß auf der Suche nach einem „echten Abenteuer“ sind. Dieses freilich gestaltet sich größer und gefährlicher, als sogar Wim sich das erhoffte. Er träumt davon, eines Tages ein Jedi zu werden, und er schenkt dem zwielichtigen Jod sofort sein Herz, „weil er ein Jedi ist“. Die coole Fern dagegen bleibt skeptisch, während Jod Möchtegern-Weisheiten wie „Die Kraft durchfließt uns alle!“ intoniert, um die Kinder zu beeindrucken. Als in einer Schatzkammer, die vermeintlich eine Wegbeschreibung durchs All enthält, ein Laserschwert auftaucht, ist das für Wim die denkbar größte Kostbarkeit – die indes direkt zur echten Bedrohung wird.
Es trägt maßgeblich zum Charme der Serie bei, dass die Kinder der „Skeleton Crew“ (wie vielleicht auch ihre jungen Zuschauer) von den Mythen des „Star Wars“-Universums besessen sind, ohne völlig in ihm zu existieren. Denn auf ihrem Heimatplaneten haben die Erwachsenen aus guten Gründen eine Barriere zur Vernebelung gewisser Dinge errichtet; diese Barriere fungiert außerdem als schöne Metapher einer Geschichte um Verführerisches, Verlorenes und Verborgenes.
Darüber hinaus besticht „Skeleton Crew“ mit einem Bühnenbild, das die Landschaften, Städte und Raumschiffhäfen fremder Planeten in staunenswerte visuelle Erlebnisse verwandelt und immer wieder mit witzigen Einfällen glänzt – darunter mit einer Staubwolke, die das Schiff unserer Helden beim Sprung in den Hyperraum hinterlässt, und dem Chaos, das Jod bei der Flucht von einem Piratenplaneten anrichtet.
Die Prämisse „Kinder allein im Weltall“ hätte leicht zum Desaster werden können. Doch wir sehen einen Achtteiler, der Anleihen bei Steven Spielberg, bei Klassikern wie „The Goonies“ und natürlich dem „Star Wars“-Universum selbst nimmt – und einfach mal auslotet, wie viel abenteuerlicher Spaß man mit „Star Wars“ noch haben kann.
Frankfurter Allgemeine Zeitung